Das „C“ als Kompass
 
Lange Zeit wurde der Eindruck erweckt, sachgerechtes Handeln habe sich einfach nur an Fakten zu orientieren, an denen die richtigen Entscheidungen zu treffen sind.
 
Ich bin überzeugt davon, dass es gegenwärtig nicht mehr ausreicht, das Bestehende fortzuschreiben und zu verwalten. Wir stehen auf Grund der gesellschaftlichen Entwicklungen vor großen Herausforderungen, vor Gestaltungsaufgaben. Dazu bedarf es der Orientierungen.
 
Konservativ sein bedeutet für mich, das Gute zu bewahren und weiterzutragen. Christlich- Konservativ bedeutet, dass dieses Bewahren eingebettet ist ins christliche Menschenbild. 
 
Der Versuch, konservative Politiker als Vertreter des Vergangenen, als die Ewiggestrigen zu bezeichnen, ist nicht mehr zeitgemäß. Die Menschen gehen wieder auf Sinnsuche. Werte sind also durchaus gefragt.
 
Konservatives Denken lehnt den Fortschritt nicht ab, aber wir prüfen ihn sehr genau auf sein Verbesserungspotential. Es ruft nicht nach Neuerem, nur weil es neu ist, sondern das Neue muss auch besser sein. 
 
In den vergangenen Jahren haben ordnungspolitische Diskussionen kaum eine Rolle gespielt. Unter anderem sind programmatische Schwächen dafür verantwortlich. Deshalb konnten die Politiker einen höheren öffentlichen Stellenwert erfahren, die pragmatisch handelten und dabei ihr eigenes Koordinatensystem, ihre geistige Beheimatung aufgegeben haben. 
 
Wir diskutieren weitgehend nur die ökonomischen Fakten und fragen zu wenig nach den tieferen Ursachen der Fehlentwicklungen
 
Der Politik muss es wieder gelingen, die Menschen zu überzeugen. Politiker und Parteien müssen programmatische Alternativen aufzeigen. Die Quelle zahlreicher Fehlentwicklungen liegt in vorherrschenden Wertvorstellungen und Leitbildern, wie zum Beispiel Vorstellungen von Selbstverwirklichung und einer steigenden Individualisierung zu Lasten des Gemeinwesens, bei der Rechte und Pflichten, Freiheit und Verantwortung aus der Balance gekommen sind, oder auch in der Einstellung zu Leistung und Wettbewerb. 
 

Wichtige Ausdrucksformen des C im politischen Handeln für mich
 
Jedes politische Handeln ist geprägt von einem Menschenbild. Wenn das C in der CSU allmählich verdunstet, dann verliert die Partei ihre Identität. Es ist nicht selbstverständlich, dass das C lebendig bleibt, es muss weitergetragen werden.
 
Aus der Spiritualität des christlichen Glaubens erwächst die Übernahme von Verantwortung. 
 
Das christliche Menschenbild steht für den notwendigen Respekt voreinander. Was zunächst abstrakt klingt, führt bei längerem Nachdenken zu der Gewissheit, dass sich an der Kultur unseres Zusammenlebens einiges verbessern würde. Respekt steht im Widerspruch zur Gewaltanwendung, und somit für eine Anerkennung von Gleichwertigkeit von Menschen. Respekt steht gegen eine Reduzierung des Menschen auf seine Nützlichkeit, es steht für freie Entfaltung der vielfältigen Solidaritätspotenziale einer Aktiven Bürgergesellschaft. Er steht für den Schutz des Lebens in all seinen Facetten, für die Bewahrung der Menschenwürde auch in Grenzsituationen des Lebens.
 
Das christliche Menschenbild garantiert keine einfachen Generalantworten für Gratwanderungen, die in den Bereichen Forschung und Entwicklung zu gehen sind.
 
Bei allen Chancen, die uns die Naturwissenschaften bieten, dürfen potentielle Gefahren nicht außer Acht gelassen werden. Der Mensch darf nicht zu der Instanz berufen werden, die entscheidet, was lebenswert ist und was nicht. Ethische Fragen sind für mich nicht verhandelbar. Ich betrachte aus diesem Verständnis heraus im christlich geprägten Menschenbild einen unverzichtbaren Wegweiser zur Gestaltung einer humanen Zukunft.
 
Bei allen schwierigen Abwägungsprozessen in den Bereichen Stammzellenforschung und Palliativmedizin hat die CSU ein inneres Koordinatensystem, an dem sie sich orientiert: Jeder Mensch besitzt allein deswegen seine Würde und Rechte, weil er Mensch ist, unabhängig seines Gesundheitszustandes und seiner Herkunft.
 
Beim deutlichen Positionieren unserer Wertvorstellungen geht es nicht darum, an einer religiösen Sonderposition festzuhalten, sondern ich möchte deutlich sagen, dass diese Überzeugung für alle eine wichtige Orientierung und einen wichtigen Schutz bietet. 
 

Ausgestaltung des Sozialstaats: mehr Eigenverantwortung
 
 
Bei der Entwicklung des Sozialstaates kommt es ganz entscheidend auf das zu Grunde liegende Menschenbild an. Für den Sozialstaat braucht man eine Wertorientierung. Das Thema kann nicht mit einer Debatte abgeschlossen werden, wie man das Solidarsystem in Zukunft finanztechnisch modernisiert. 
 
Gegenwärtig schreitet unsere Gesellschaft auf die Entwicklung einer gesellschaftspolitischen Mentalität, die letztlich auf die Fürsorge des Staates hinausläuft. Das christliche Menschenbild weist dagegen mehr in Richtung Eigenverantwortung. Der Mensch ist berufen zur Freiheit, zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung und natürlich zur Solidarität.
 
Der Sozialstaat wurde in den vergangenen Jahrzehnten  organisatorisch und finanziell ausgebaut, gleichzeitig wurden mehr und mehr Klagen über soziale Kälte unüberhörbar laut.
 
Ich bin überzeugt davon, dass wenn wir die finanziellen Mängel im Sozialstaat ausgleichen, die Diskussion um die soziale Kälte würde nicht abklingen. Wir würden sie sogar fortschreiben. Die Mentalität, dass wir für jedes Problem eine zuständige Organisation haben, würde sich verfestigen. Die gesamte Sozialstaatsdebatte dreht sich – durchaus medial bestimmt – um das Geld. Eine Debatte nach einer besseren Sozialkultur als Grundlage für unseren Sozialstaat wird hingegen nicht geführt. Besondere Bedeutung und Schutzwürdigkeit von Ehe und Familie wäre ein Resultat einer solchen Diskussion. Erziehungskompetenz stärken, die Familien an die Hand nehmen und sie als wichtigsten Pfeiler in unserer Gesellschaft unterstützen. Auch die Bildung spielt hier eine entscheidende Rolle.
 
Bildung ist mehr als Wissensvermittlung. Es geht um Persönlichkeitsentwicklung. Erziehung braucht Wertorientierung. Die Wertevermittlung muss wieder stärker in den Vordergrund gestellt werde. Unsere Kinder brauchen einen „Rucksack an Wertvorstellungen“ fürs Leben, der sie ständig begleitet.
 

Dem Klimawandel begegnen – und Schöpfung bewahren
 
Die Bewahrung unserer Schöpfung ist ein Grundanliegen von mir. Der Schutz von Flora und Fauna, Schutz des natürlichen Lebensraumes in unserer Heimat und der Klimaschutz stellen uns vor eine der größten ethischen Herausforderungen unserer Zeit. 
 
Wir müssen Zukunftsverantwortung entwickeln, schon allein aus der ethischen Überlegung heraus, dass es nicht erlaubt ist, um gegenwärtiger Annehmlichkeiten willen über unsere Verhältnisse – auf Kosten der nachkommenden Generationen - zu leben. Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nur auf Umwelt- und Energiepolitik, sondern auch auf unsere öffentlichen Finanzen. Wir müssen uns die Frage stellen, wie viel wir uns leisten. Dürfen wir uns verschulden und die Folgen den zukünftigen Generationen überlassen? Dies führt zu einer Sozialstaatsdebatte und dem schwierigen Thema der Generationengerechtigkeit. Bei allen Sparmaßnamen im Kultur- und Bildungsbereich muss bedacht werden, dass ein ausgeglichener Haushalt die notwendige Basis für eine Generationengerechtigkeit darstellt. 


Politisches Handeln ohne Wertorientierung ist nicht möglich
 
Wir haben einen Vitalitätsverlust in unserer Gesellschaft zu verzeichnen, der sich in geringer Leistungsfähigkeit niederschlägt. Wir leben gegenwärtig von der Substanz. Die Politik muss stärken, was unsere Gesellschaft und unser Land stark macht: Der Mittelstand. Der Mittelstand trägt unsere Wirtschaft. Um dies weiter tun zu können, müssen wir ihn entlasten: Steuererleichterungen und Bürokratieabbau. Innovationen müssen gefördert werden. Im Bereich der Umwelttechnologien bedeutet das, dass nicht nur das Klima geschont wird, sondern auch Arbeitsplätze geschaffen werden.
 
Das Subsidiaritätsprinzip muss als Verantwortungsprinzip verstanden werden und bedeutet Vorrang für die Eigenverantwortung, ergänzt durch Solidarität. Nicht umgekehrt: d.h. Anspruch auf Solidarität, geschoben vor die Eigenverantwortung. Die Reihenfolge ist entscheidend hier das Entscheidende: Hilfe zur Selbsthilfe. 
 
Subsidiarität bedeutet: Vorrang für die freie Initiative und Vorrang für di kleinere Einheit. Gegenwärtig sind wir weit davon entfernt. In der Konsequenz bedeutet das: einen neu gestaltete Verantwortungsgemeinschaft von Bürger und Staat.
 
Eine tief verwurzelte Staatsgläubigkeit, die besagt: besser und gemeinwohlorientierter ist es, wenn der Staat organisiert und durchführt und nur, wenn es nicht mehr anders geht, wird die private Seite akzeptiert. Das ist das Gegenteil von Subsidiarität! Die konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips wird ein Schlüssel sein für die Neuordnung des Sozialstaates. Millionen von ehrenamtliche engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürger leben vor, wie Engagement dem Staat hilft.
 
Die CSU darf in keine Gesinnungsdiktatur verfallen, in Grundsatzdiskussionen geführt und Papiere geschrieben und diese zu allgemeinverbindlichen Lehren erklärt werden.
 
Werteeinstellungen werden immer von Menschen entwickelt. Sie müssen transportiert werden. Von der Gesellschaft in die Politik. Und von der Politik in die Gesellschaft.